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Glanz schlesischen Porzellans
Neues Museum in Tillowitz/Tułowice zeigt die Geschichte der schlesischen Porzellanmanufakturen

Magdalena Ilgmann

Schlesien Heute 8/2024

Schlesien und insbesondere das Oppelner Land ist in diesem Frühling wieder um eine herausragende Sehenswürdigkeit bereichert worden. Im April 2024 wurde in restaurierten Gebäuden der ehemaligen Porzellanfabrik in Tillowitz (Tulowice) in der Woiwodschaft Oppeln (Opole) ein Museum für schlesisches Porzellan eröffnet. Die Besucher können sich dort in attraktiven Ausstellungsräumen mit der schlesischen Porzellangeschichte vertraut machen und wertvolle Exponate aus den bekanntesten Manufakturen wie zum Beispiel Königszelt, Waldenburg, NiederSalzbrunn und Tiefenfurt bewundern.

Porzellanherstellung in Tillowitz

Die Geschichte der Porzellanherstellung in Tillowitz/Tułowice reicht 210 Jahre zurück. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war Johann Carl Graf von Praschma der Besitzer der Tillowitzer Ländereien. Er nutzte die im Falkenberger (Niemodlin) Wald vorhandenen Ressourcen und Rohstoffe sowie die gelernten Arbeitskräfte aus der nahe gelegenen Fayencefabrik in Proskau/Prószków und gründete die erste Fayencefabrik am Schloss von Tillowitz. Die Manufaktur ging 1842 in die Hände von Ernst von Frankenberg über, der die Produktion von schwarzer Fayence einleitete. Ab 1858 wurde in der Manufaktur mit dem Brennen von Porzellan begonnen. 1889 baute der gebürtige Thüringer Erhard Schlegelmilch mit dem Kapital seines Vaters, der in Suhl Porzellan produzierte, die Manufaktur aus und machte sie zur Porzellanfabrik, in der um 1910 fast 800 Menschen arbeiteten. Der größte Teil des hier hergestellten Porzellans, das mit
der Marke R.S. Prussia Tillowitz signiert war, wurde in die Vereinigten Staaten und nach Kanada exportiert. Außerdem unterhielt die Fabrik Vertretungen unter anderem in Österreich, den Niederlanden und England.
Bei der Auswahl des Sortiments wurde sich dem Geschmack der ausländischen Kunden angepasst und es wurde reich dekoriertes Porzellan in einer Vielzahl von Formen produziert. Zwischen 1939 und 1940 belieferte die Fabrik auch die Armee. Nach dem Krieg wurde die Fabrik 1945 von den sowjet-polnischen Behörden übernommen. 1947 wurde die Produktion von kostbarem Porzellan auf minderwertigeres Halbporzellan umgestellt. Knapp 30 Jahre später wurde 1976 eine große moderne Fabrik eröffnet und das alte Firmengebäude wurde umgebaut und unter anderem als Schule für zukünftige Porzellanfachleute genutzt.

Die wertvollen Exponate werden auch in zeitgemäßer Raumausstattung präsentiert


Die Fabrik in Tillowitz war mit rund 1.500 Mitarbeitern eine der größten Porzellanfabriken im polnischen Schlesien. Im Jahr 1995 wurde der Staatliche Betrieb für Halbporzellan-Geschirr/Państwowe Zakłady Porcelitu Stołowego privatisiert und in die Halbporzellanfabrik Tillowitz AG/Fabryka Porcelitu Tułowice S.A. umgewandelt. Im Jahr 2001 ging das Unternehmen in Konkurs. Heute sind in den ehemaligen Fabrikgebäuden eine Reihe von Industriebetrieben untergebracht. Seit 2015 wurde mit der sorgfältigen Restaurierung und Konservierung eines Teils der alten Fabrik begonnen, um die Räumlichkeiten als Museum nutzen zu können.

Gründung des Museums für schlesisches Porzellan

Im Februar diesen Jahres ging die letzte schlesische Porzellanfabrik „Karolina” in Königszelt/Jaworzyna Śląska in die Insolvenz, die für ihre Vorkriegsprodukte unter
dem Namen Porzellan Fabrik Königszelt bekannt war. Damit endete eine mehr als 200 Jahre währende Periode der Porzellanherstellung in Schlesien. Zwei Monate später wurde im April in Tillowitz das von der Stiftung zum Schutz des industriellen Erbes Schlesiens betriebene Museum für schlesisches Porzellan eröffnet, um die Erinnerung an den Glanz der schlesischen Porzellanfabriken zu bewahren. Das neue Museum wurde auf dem Gelände der ehemaligen Porzellanfabrik in einem baufälligen Verwal tungs- und Lagergebäude aus dem Jahr 1904 eingerichtet. In zähem Einsatz über neun Jahre hinweg konnte von der in Breslau ansässigen Stiftung zum Schutz des industriellen Erbes Schlesiens unter Leitung von Piotr Gerber mit fachkundigen, idealistischen Freunden und Mitarbeitern das ehemalige Fabrikgebäude sorgfältig restauriert und mit attraktiven Museumsräumen über drei Etagen hinweg ausgestaltet werden. Der Besucher staunt
über die ansprechende Präsentation einer Fülle kostbarer Exponate in den durchweg
ausführlich dreisprachig – Deutsch, Englisch, Polnisch” beschrifteten Vitrinen und
Räumen, welche die Erzeugnisse und die Geschichte der 14 wichtigsten schlesischen Porzellanmanufakturen dokumentieren. Oft sind dies die einzigen Spuren der Produkte dieser ehemaligen Fabriken.

Spannendes Angebot für die Besucher

Ein Besuch in diesem Museum gleicht einer Reise durch die Zeit. Porzellanwaren aus verschiedenen Epochen und Stilen werden in einem theatralischen Rahmen präsentiert. Die historischen Interieurs zeigen, wie die Trends der Kunst auf Porzellanprodukte übertragen wurden. Porzellan im Stil des Jugendstils, des Art déco oder der Moderne schmückt die Ausstellungsräume des Museums. Der Rundgang wird begleitet von den Geräuschen vergangener Zeiten, dem Brummen der Maschinen, dem geschäftigen Treiben in den Cafés oder den Radiosendungen mit Melodien aus den 1930er Jahren. Die Besucher können einen Blick in die Verwaltungs-, Buchhaltungs- oder Marketingräume der Fabrik
werfen. Die Museumsgäste können auch das voll ausgestattete Verwaltungsbüro der ehemaligen Fabrik besichtigen. Eine einzigartige Attraktion ist die authentische Werkstatt, in der die Besucher die Arbeit der Porzellandesigner kennen lernen können. Neben der Sammlung von antikem Porzellan gehören auch historische Geräte zur Porzellanherstellung zu den Beständen des Museums.
Das Museum organisiert Treffen von Arbeitsgruppen zur Herstellung und Dekoration von Porzellan. Die Teilnehmer können selbst ein Porzellanprodukt herstellen und dekorieren oder lernen, wie man das „Oppelner Muster” malt, das in die polnische Liste des Immateriellen Kulturerbes eingetragen wurde. Für Porzellansammler bietet es sich als ein Ort für Konferenzen, Autorentreffen und Versteigerungen von antikem Porzellan an. Und während der Wartezeit auf einen Museumsführer können die Besucher im Museumscafé Kaffee oder Tee aus historischem Porzellan genießen.

Carl Tielsch & Co. Altwasser bei Waldenburg 1890-1939, Fotos: Ilgmann

Pflege des industriellen Erbes Schlesiens

Die Stiftung zum Schutz des industriellen Erbes Schlesiens unter Leitung des Architekten Dr. Piotr Gerber bildet die größte nichtstaatliche, gemeinnützige Organisation in Polen, welche sich der Erhaltung und Zugänglichkeit des industriellen Erbes widmet. Die Stiftung betreibt derzeit fünf Museen: Das neue Museum für schlesisches Porzellans in Tillowitz/Tułowice, Museum für Eisenbahnwesen in Schlesien in Königszelt/Jaworzyna Śląska, das Museum für Zinkmetallurgie „Walzwerk“ in Kattowitz, die Hilbert-Mühle in Reichenbach/Dzierżoniów, Museum für Landtechnik in Peterwitz/Piotrowice Świdnickie (Kreis Schweidnitz). Auch die übrigen Museen, die das großartige industrielle Kulturerbe Schlesiens vor Augen führen, werden wir in den kommenden Ausgaben von „Schlesien heute“ vorstellen.

Kontakt:
Museum für schlesisches Porzellan
Straße Porcelanowa 2E, 49-130 Tułowice
Telefon: +48 781 717 777 – Rezeption
+48 885 204 811 – Verwaltung
E-Mail: porcelana@muzeatechniki.pl

geöffnet: Dienstag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr